Die Dynastie Heitmeier, Lochhausen


Von Dr. Norbert Göttler, Bezirksheimatpfleger von Oberbayern

Dass mein Urgroßvater Martin Heitmeier (1862-1940) einmal Königlicher Ökonomierat, Bürgermeister und Privatbankier sein würde, dazu Besitzer des größten Anwesens im damals selbständigen Ort und heutigen Münchner Stadtteil Lochhausen, - ein Gut, das Landwirtschaft, Ziegelei, Gastwirtschaft, Metzgerei und Bäckerei umfasste, - war ihm nicht in die Wiege gelegt. Freilich, schon der Stammsitz der Heitmeiers, das auf alten provinzialrömischen Fundamenten stehende Anwesen Kienaden bei Bergkirchen (Lkr. Dachau) war ansehnlich, doch als weichender Erbe hatte man zu jenen Zeiten wenig zu erwarten, und die Verwalterstelle am Gut Lochhausen war noch nicht das schlechteste Los für einen jungen Mann wie Martin. Wie er aber zum dortigen Gutsbesitzer aufsteigen und zu seiner Frau Kreszenz, meiner Urgroßmutter, kommen konnte, ist auch für damalíge Verhältnisse ungewöhnlich genug.  
Das Anwesen Lochhausen ist relativ jung. Katasterpläne um 1800 weisen kaum Bebauung an seiner Stelle aus. Eventuell wurde der Hof in Zusammenhang mit dem Eisenbahnbau München-Augsburg und der Errichtung der Haltestelle Lochhausen um 1850 aufgebaut. Am Ende des 19. Jahrhunderts saß eine Familie Jakob und Katharina Siwig (gelegentlich auch Siebig geschrieben) auf dem mittlerweile stattlichen Anwesen – selbst wirtschaftlich rege, eine Reihe der heute noch stehenden Gebäude stammt von ihnen – doch privat von großem Unglück heimgesucht. Nicht nur, dass ihre beiden Kinder geistig schwach und nicht geschäftsfähig waren (nur die Tochter hatte man „gerade noch“ an einen Schullehrer namens Danner in Wartenberg verheiraten können!) – sondern auch der überraschende Tod hielt bald Einzug ins Gutshaus. Zuerst verstarb der Ehemann Siwig, der vor seiner Ehe mit Katharina mit einer Franziska Feiner aus Allach verheiratet war. Die Witwe Siwig nahm sich Martin Heitmeier, ihren jungen Gutsverwalter zum Gatten. Als sie wenige Jahre danach selbst verstarb, heiratete dieser 1898 Crescentia (Kreszenz) Michl (1873-1951), auch sie eine Angestellte auf dem Lochhausener Hof. Da die beiden Siwig-Kinder – wie erwähnt - nicht geschäftsfähig waren, wurden sie bis zu ihrem ebenfalls frühen Tod zwar finanziell unterhalten, - Simon musste teilweise in einem Sanatorium leben - kamen aber nicht für die Erbfolge in Betracht. Die „Stunde Null“ der Dynastie Heitmeier-Lochhausen war gekommen.

Er muss ein stolzer, konservativer Patriot gewesen sein, dieser Martin Heitmeier, ein großer, hagerer Mann, der niemals ohne Anzug, Stock und Stehkragen das Gutshaus verließ. Sein jüngster Sohn Willy äußerte gelegentlich, dass er im ganzen Leben keine fünf zusammen hängende Sätze mit seinem Vater gesprochen habe, das wäre unter dessen Würde gewesen. Erzogen wurden die Kinder von der Mutter und dem Verwalterehepaar des Gutes. Überhaupt wird die Mutter Kreszenz in allen Erinnerungen als warmherzig, tolerant und fortschrittlich beschrieben. Ein Verwalter (lange Jahre Leonhard Heigl) und viele Angestellte sorgten für alle Sparten des Betriebes, sodass sich Martin Heitmeier bald öffentlichen Aufgaben widmen konnte. Er engagierte sich als Bürgermeister für die strukturelle Entwicklung der Gegend um Lochhausen, Aubing und Langwied, gründete Feuerwehren und Sportvereine, gehörte zu den Honoratioren des Münchner Westens und konnte bald die Ehrenbezeichnung „Königlicher Ökonomierat“ führen. Ein goldener Ehrenring mit dem königlichen Wappen ist erhalten und dürfte Martin Heitmeier wohl von Prinzregenten Luitpold überreicht worden sein. Da die Geschäfte offenbar gut liefen, - in dieser bauwütigen Gründerzeit war Heitmeier wohl auch so etwas wie ein „Münchner Ziegelbaron“ - übernahm der Ökonomierat bald die Funktion eines Privatbankiers, da das öffentliche Bankwesen auf dem Land noch kaum verbreitet war. In dieser Lebensphase des Ehepaares Heitmeier kamen bald die ersten Kinder zur Welt: 1899 Katharina (meine spätere Großmutter), 1901 Franziska, genannt Fanny, und 1903 Sophie. Doch das Glück blieb nicht ungetrübt. Ein lange ersehnter männlicher Nachwuchs kam zwar auf die Welt, starb aber nach wenigen Wochen. Im November des Jahres 1903 brannte zudem ein Teil des Anwesens ab, die Ursache war bald festgestellt: Brandstiftung! Ob Neider im Spiel waren oder Schuldner? Die neu aufgebauten Gebäude ließ Martin Heitmeier später mit einer Tafel versehen: „Neider hab ich viel, Hasser nicht viel minder. Ich baue wie ich will, für mich und meine Kinder.“ Lange Zeit war ich der Ansicht, dieser Spruch wäre eine individuelle Schöpfung Martin Heitmeiers gewesen. Mittlerweile weiß ich, dass es sich dabei wohl um eine Art Standartspruch handelt, der auch andernorts auf Gebäuden steht, deren Vorgängerbauten einer vermuteten Brandstiftung zu Opfer gefallen waren. Eine Tafel identischen Inhalts findet sich zumindest am Stadel des Lindacherhofes bei Schwabhausen.  Das aber soll die schweren Belastungen in Lochhausen nicht schmälern. Auch das dortige Bankgeschäft hatte es in sich! Ein Hauptschuldner Martin Heitmeiers ging in Konkurs und eine große Bürgschaft – man spricht von 100.000.- Goldmark – musste abgeschrieben werden! Der gut vierzigjährige Martin Heitmeier war verzweifelt. Als sich auch nach längerer Zeit seine Depression nicht legen wollte, rieten ihm zwei Freunde – der Münchner Notar Dr.Graßmann und der Lochhausener Pfarrer J.Frank - zu Ablenkung und Abenteuer: zu einer gemeinsamen, vierwöchigen Reise im November 1904 durch Italien bis nach Sizilien! Und – erstaunlich genug – der sonst so bodenständige Ökonomierat ließ sich überreden.  

Die große Lebensreise

  Für 183 Mark löste man im Münchner Reisebüro Schenker ein Bahn-Billet, das einen Schnellzugtransfer von München über Zürich und den St.Gotthard-Tunnel nach Mailand bewerkstelligte. Der weitere Verlauf dieser klassischen Bildungsreise führte über Genua und Rom nach Neapel, wo man – besonders für den schwergewichtigen Pfarrer mühsam - den Vesuv bestieg. Auf Sizilien beeindruckte vor allem das Gebeinhaus der Kapuziner in Palermo und die griechischen Tempel von Sagunt. Die Rückreise – zumeist mittels Pferdefuhrwerken - führte über Capri, Assisi, Ancona, Venedig, Verona und Meran, von wo aus man wiederum mit der Eisenbahn über den Brenner nach München zurückkehrte. Ein erhaltener Reisebericht des Pfarrers Frank informiert uns heute über die Route, leider sehr ausführlich über die touristischen Sehenswürdigkeiten und wenig über die persönlichen und politischen Umstände der Reise.  
Nach seiner großen Lebensreise scheint Martin Heitmeier zusammen mit seiner Frau Kreszenz das übliche Leben eines Großökonomen geführt zu haben. In kurzen Abständen kamen ihre weiteren Kinder zur Welt: 1906 Emma, 1907 Centa, 1908 – endlich der ersehnte Junge! – Martin, 1910 Eduard und 1913 Willy. Die Ökonomie wurde weiterhin von einem Verwalter betrieben, die übrigen Geschäftszweige wurden nach und nach verpachtet (z.B. an eine Familie Hoiß), bzw. verkauft. Durch den Ersten Weltkrieg kam man einigermaßen ungeschoren, da Martin mit seinen 52 Jahren nicht mehr wehrtauglich war, und seine drei Söhne sich noch im Kindesalter befanden. Aufregung brachten die Wirren der Räterepublik, Inflationsjahre, aber auch nochmals zwei Großbrände, die, wiederum vermutlich von fremder Hand gelegt – am 10.Januar 1913 und am 30.November 1931 – mehrere Großaufgebote der umliegenden Feuerwehren nach Lochhausen ausrücken ließen.   Hoch betagt starben Martin Heitmeier 1940 und seine Frau Kreszenz 1951. Sie liegen im neuen Friedhof von Lochhausen begraben. Bereits am 28.Juli 1940 war im Gut Walpertshofen ihr Schwiegersohn und Ehemann ihrer ältesten Tochter Katharina, Benno Westermayer - mein Großvater - überraschend verstorben. Katharina hatte aus diesem traurigen Anlass einen neuen Grabstein mit großer Engelsskulptur in Auftrag gegeben. Der Grabstein fand ihre Zustimmung, der Engel jedoch nicht. Darum ziert er heute nicht das Grab meines Großvaters Benno Westermayr im Friedhof von Prittlbach, sondern das Grab meiner Urgroßeltern Martin und Kreszenz Heitmeier in Lochhausen.  

Die Nachkommen

  Die acht Kinder von Martin und Kreszenz Heitmeier habe ich alle noch als alte Herrschaften kennen gelernt:
* Katharina (meine Großmutter), geb.1899, heiratete 1919 den Gutsbesitzer Benno Westermayr aus Walpertshofen und hatte mit ihm die Tochter Katharina (meine Mutter). Nach dem frühen Tod Benno Westermayrs im Jahr 1940 heiratete sie 1945 den Ziegeleibesitzer Georg Bücherl aus Röhrmoos. Sie starb 1990 und ruht auf dem Friedhof von Röhrmoos.
* Fanny (Franziska), geb. 1901, heiratete 1928 den Finanzbeamten Max Herzog, der bereits im Ersten Weltkrieg Soldat war und es im Zweiten Weltkrieg bis zum Rang des Hauptmanns brachte. Die mündliche Familientradition, wonach er Stadtkommandant der besetzten norwegischen Stadt Narvik gewesen sein soll, überzeugt mich nicht - aber dazu mehr im letzten Kapitel. Herzog brachte als Witwer die – mittlerweile ebenfalls verstorbene - Tochter Paula in die Ehe. Fanny starb 1978. Sie ruht auf dem Friedhof Lochhausen.
* Sofie, geb. 1903, blieb unverheiratet und starb 1990. Auch sie ruht auf dem Friedhof in Lochhausen.
* Emma, geb. 1906, heiratete 1938 Peter Mayer, der als Angestellter in der Ziegelei arbeitete, hatte mit ihm die Tochter Marga, und starb 1995. Auch ihre letzte Ruhestätte befindet sich auf dem Friedhof Lochhausen.
* Centa (Kreszentia), geb. 1907, heiratete 1932 den Aubinger Glasermeister Otto Krempl, und starb 1985. Sie ruht auf dem Friedhof von Alt-Aubing. Von Otto Krempl besitze ich einen Brief, in dem er schildert, wie er als junger Bursche den Hitler-Putsch vor der Feldherrnhalle beobachten konnte. Centa und Otto Krempel hatten die Kinder Elisabeth und Walter. Letzterer wurde am 20.Dezember 1996 bei einem Verkehrsunfall in Australien getötet, ich selber durfte in Aubing die Totenrede auf ihn halten.
* Martin, geb. 1908, blieb unverheiratet und starb 1968. Er ruht auf dem Friedhof Lochhausen.
* Eduard, geb. 1910, heiratete 1947 nach seinen Kriegsjahren Hilde Ruf, hatte mit ihr die Kinder Ingrid und Eduard, wurde von seiner Frau geschieden und starb 1979. Auch er ruht auf dem Friedhof Lochhausen.
* Willy (Willibald), geb. 1913, heiratete 1937 Anna Kißlinger und hatte mit ihr die Söhne Willi und Robert. Auch er musste als Soldat im Zweiten Weltkrieg Dienst tun. Nach seiner Scheidung in Jahr 1961 heiratete er Hilde Reis. Er ist 2005 verstorben und ruht ebenfalls auf dem Friedhof Lochhausen.
Da der Hoferbe Martin Heitmeier jr. unverheiratet und kinderlos geblieben war, wurde bereits vor seinem Tod die Landwirtschaft weitgehend eingestellt. Nach seinem Tod 1968 ging das Lochhausener Anwesen in die Hand einer Erbengemeinschaft, bestehend aus seinen Geschwistern und deren Nachkommen, über. 
 Zum Thema „Hofnachfolger“ ist eine amüsante Anekdote überliefert. Meine Urgroßmutter Kreszenz Heitmeier hasste ihren Vornamen und wollte ihn keinesfalls in ihrer Familie weitergeben. Der Pfarrer von Lochhausen behauptete aber, es müsse die Tradition gewahrt belieben, eine Tochter den Namen der Mutter bekommen, sonst würde sich nie ein männlicher Erbe einstellen. Bei den ersten beiden Mädchen konnte sich die Mutter noch durchsetzen. Als aber auch das dritte Kind ein Mädchen wurde, sollte das Kind ohne das Wissen der Mutter Kreszenz heißen. Die aber protestierte so energisch, dass Martin Heitmeier kleinlaut zum Pfarrer gehen musste und die Urkunde umschreiben lassen musste. Erst bei der fünften Tochter resignierte die Mutter und stimmte zu, dass es Kreszenz (aus der dann Centa wurde) getauft wurde. Und: Prompt kamen daraufhin drei Söhne zur Welt!  

Zur Vorgeschichte der Heitmeiers

  Zur besseren Einordnung mag ein Blick auf die Vorgeschichte der beiden Dynastien Heitmeier / Kienaden und Michl / Etterschlag, denen meine Urgroßeltern entstammten, nützlich sein. Der Name Heitmeier kommt eher aus dem Norddeutschen und bedeutet vermutlich „Maierhof in der Heide“. Dass, wie manchmal behauptet, der Name allein aus dem Weiler „Haidhof“ bei Sulzemoos (Lkr. Dachau) abzuleiten sei, halte ich für unwahrscheinlich, zumal dort keine „Heitmeier“ nachweisbar sind. Ein Hans Hewtmayr wird 1485 als Bauer in Eurastetten erwähnt, ein weiterer Hans Heitmeier lebte dort von 1550-1620. Dessen Sohn Martin (1590-1632) soll im Dreißigjährigen Krieg von den Schweden erschossen worden sein. Von ihm führt eine Linie nach Welshofen, ehe ein Georg Heitmeier 1763 die Witwe Ursula Plabst von Kienaden heiratete und dort die bis heute bestehende Heitmeier-Tradition begründete. Der Name Kienaden deutet (ähnlich dem Ortsnamen Kemmoden) auf eine mittelalterliche Herberge hin.   Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts hatten sich weichende Erben der Kienader Heitmeier in Lochhausen ansässig gemacht. 1852 hatte Michael Heitmeier um 14.000 Gulden den dortigen Denk-Hof (Lochhausen Nr. 1) gekauft (seine Urenkelin wurde später Ehefrau des Dachauer Kreisheimatpflegers Alois Angerpointner). 1853 kaufte Franz Xaver, Bruder von Michael, den Kreitmayr-Hof (Lochhausen Nr. 2). Eine Generation später kam dann mein Urgroßvater Martin Heimeier in das Wirts- und Ziegeleianwesen, zunächst als Verwalter, ab 1898 dann als Besitzer. Seine Zwillingsschwester Katharina (1862-1924) heiratete übrigens den Besitzer der Würmmühle Eduard Wittmann, und liegt an dessen Seite auf dem Prittlbacher Friedhof begraben. Sie vermittelte auch die Heirat zwischen meinen Großeltern Katharina (aus Lochhausen, ihrer Nichte) und Benno Westermayr (Walpertshofen). Im Heitmeier-Grab von Bergkirchen ruhen wohl meine Ur-Ur-Großeltern Sebastian Heitmeier (1808-1886) und Maria Meier aus Webling (1819-1846), bzw. seine zweite Frau Maria Strixner aus Zötzlhof (1823-1885). Ebenso meine Ur-Ur-Ur-Großeltern Mathias Heitmeier (1768-1852) und Maria Haas aus Thal (1770-1805), bzw. seine zweite Frau Maria Nassl aus Anzhofen (1779-1861).   Meine Lochhausener Urgroßmutter Kreszenz stammte vom Michl-Hof aus Etterschlag am Ammersee. Sie hatte mehrere Geschwister, zu denen lange Kontakt gehalten wurde: Sabine Stör (Lochhausen), Anna Pöringer (Pächterin des Metzgerwirts in Nymphenburg), Leni Ludwig, Jakob Michl (Gasthaus und Metzgerei in Eberfing. Sein Sohn Dr.Jakob Michl wurde Wirtschaftsprüfer, heiratete Maria aus der Münchner Randlkofer-Dallmayr-Dynastie und starb 2009), Willi Michl (Wirtshaus Beinhofer, Murnau), Rosi Karg (Brauerei Karg, Murnau), Franz Michl (Hoferbe in Etterschlag). Meine weiter zurückliegenden Urahnen der Dynastie Michl dürften also im Michl-Grab in Etterschlag ruhen. Die ältesten Nennungen auf dem derzeitigen Grabstein dort sind Franz Michl (1879-1957), sowie seine Frau Cäcilie (1887-1978).   Von der Heitmeier-Dynastie in Kienaden führt über den Pentenriederhof von Prittlbach noch eine weitere Linie in meine entfernte Verwandtschaft. Johann Westermayr aus Walpertshofen hatte 1857 Anna Maria Schmid vom Reindlhof in Röhrmoos geheiratet und mit ihr am 10.Juli 1857 den Pentenriederhof in Prittlbach gekauft. Aus dieser Ehe gingen zehn Kinder hervor, von denen nur zwei am Leben blieben, Matthias und eine Schwester. In zweiter Ehe heiratete Johann Westermayr Franziska Sitti vom „Riedl“ oder „Rial“ in Prittlbach. Ein Sohn aus dieser Ehe, Michael, heiratete in den „Reindlhof“ in Röhrmoos. Sein Bruder Johann Baptist wurde Geistlicher, später Regens und Professor in Freising (s.u). Matthias (1863-1945), Johanns Sohn aus erster Ehe, heiratete 1904 Ursula Plonner aus Fußberg (1875-1951). Da auch diese Ehe kinderlos blieb, wurde die Nichte der Ursula Plonner, Rosa Heitmeier aus Kienaden (1903-1979) – gegen ihren Willen - als Pflegetochter und Erbin angenommen. Sie heiratete in erster Ehe Josef Wackerl aus Ottmarshart (1900- 1947), in zweiter Ehe Josef Mayer aus Asbach (1904-1992). Vater von Josef Wackerl war der Landwirt aus Ottmarshart („Oatmarschaft“), der Ökonomierat und konservative Landtagsabgeordnete Michael Wackerl (1867-1931). Wackerl war Zeitzeuge, als 1919 im Münchner Landtag im Zuge der Räte-Unruhen Schüsse fielen und mehrere Kollegen getötet wurden. Eventuell war Wackerl auch das literarische Vorbild für Ludwig Thomas Abgeordneten „Josef Filser“.   Bei einem Gespräch, das ich am 3.November 2009 mit Mathias Wackerl sen. in Prittlbach geführt habe, ergaben sich folgende Ergänzungen: Der Pentenriederbauer Matthias Westermayr (1875-1945) leistete sich unverhohlen eine „Zweitfrau“, die Münchner Witwe Maria Schwarzmann. Sie war attraktiv („de schee Mare“) und resolut. Sie kam mehrfach im Jahr für eine Woche auf den Pentenriederhof und wohnte im Nebenhaus, wo ständig zwei Zimmer für sie bereitgehalten wurden. Seine reguläre Ehefrau Ursula Plonner war schwer krank. Sie litt an Gesichtskrebs und lebte Jahre lang ohne Nase. Dennoch wurde sie 76 Jahre alt. Mit Maria Schwarzmann soll sie sich gut vertragen haben. Ein Zimmer im Nebenhaus war auch ständig für den Regens Westermayr reserviert, der in seinen mittleren Jahren hier Urlaub machte, später aber nur mehr für wenige Stunden kam. Das heute noch bestehende Nebenhaus war 1927 gebaut und damals schon luxuriös mit einer Dampfheizung ausgestattet worden.   Dachaus Kreisheimatpfleger a.D. Alois Angerpointner (1915-1991) wies in einem Schreiben vom 28.Februar 1981 darauf hin, dass seine Frau Genoveva auf eine Abstammung aus dem Kienader-Hof zurückblicken kann. So seien Matthias Heitmeier (1768-1852) und seine Frau Maria (1779-1861) ihre Ur-Ur-Großeltern. Diese sind gleichzeitig meine Ur-Ur-Ur- Großeltern.  

Außergewöhnliche Lebenswege und Schicksale im Umfeld der „Heitmeiers“

  Martin Heitmeier, Eurastetten (1590-1632)

 Der 42jährige Bauer und Familienvater aus Eurastetten wird beim Einmarsch der schwedischen Truppen unter Feldmarschall Gustav Horn erschossen. Nachkommen gründen später die Dynastien Heitmeier in Kinaden, Lochhausen und Walpertshofen. 


 Ulrich Wittmann

Katharina Heitmeier, Zwillingsschwester meines Urgroßvaters Martin Heitmeier hatte – wie erwähnt - den Würmmühlenbesitzer Eduard Wittmann geheiratet. Einer seiner Söhne, Ulrich „Richi“ Wittmann, war passionierter Jäger und seit seiner Jagdflieger-Ausbildung im Ersten Weltkrieg begeisterter Pilot. In der Wirtschaftskrise der 20er Jahre entschloss er sich, in die damalige deutsche Kolonie Südwest-Afrika, dem heutigen Namibia, auszuwandern. In Windhuk gründete er zusammen mit seiner fränkischen Frau eine Familie und lebte dort fortan als Drugstore-Besitzer, Jäger, Buschflieger und Wildhüter. Wie viele Auslandsdeutsche entwickelte auch Ulrich Wittmann eine gewisse Begeisterung für Hitlers Drittes Reich. Wittmanns Familie wohnt heute in dritter Generation in Windhuk und im südafrikanischen Johannesburg. Eine Tochter Wittmanns hieß Irmgard, die andere Martina. Letztere erlebte leider ein trauriges Ende. Als ein Heuschreckenschwarm über eine Plantage der Familie in Windhuk herfiel, wollte sie die Insekten vertreiben, rannte dabei voller Wucht gegen den Draht einer Wäscheleine und starb an den Folgen dieser Verletzung. Bei Gründung des souveränen Staates Namibia im Jahr 1990 musste die Familie die deutsche Staatsangehörigkeit abgeben. Ulrich Wittmann war mit meiner Großmutter Katharina Bücherl bis zu seinem Tod in enger Brieffreundschaft verbunden. Zu meinem großen, heutigen Bedauern habe ich als kleiner Junge nur die Briefmarken dieser exotischen Briefe ausgeschnitten und ihren Inhalt achtlos weggeworfen. Immerhin befinden sich in meinem Besitz Relikte der bei seiner Auswanderung zurückgelassenen Bibliothek Ulrich Wittmanns, sowie eine ausgestopfte, von ihm selbst erlegte Wildkatze aus der Rhön.

(c) Norbert Göttler, 2015