Geburtsbrief

Vor allem Handwerker waren in den früheren Jahrhunderten sehr mobil. Nach der Lehrzeit waren einige Wanderjahre für die Gesellen üblich. Oft fand ein wandernder Geselle dabei eine günstige Gelegenheit zur Einheirat, auch bei einer Witwe, in einer weit entfernten Stadt.

Häufig führte die Wanderschaft donauabwärts, denn das war ein bequemer Weg. Man brauchte nur auf Lech, Amper, Isar oder Inn ein Floß besteigen und kam mühelos in wenigen Tagen nach Österreich. Bayern war im 18. Jahrhundert mehrmals jahrelang von Österreich besetzt, gehörte also praktisch in dieser Zeit zur K.und K. Monarchie. Da gab es keine Grenzen.

Zielorte der Wanderung waren gerne Wien, Preßburg, Ungarn, Prag und sogar Breslau. Besonders wanderfreudig  und gerne aufgenommen wurden  Kleinuhrmacher, die in Friedberg  dieses gefragte Handwerk erlernt hatten..

Häufiger sind natürlich Orte im Nahbereich genannt, München, Freising, Augsburg, Friedberg.

Um am Zielort in die Handwerkszunft aufgenommen zu werden, mußte der Neuling von seiner Heimatbehörde (Gericht) einen Geburtsbrief ausstellen lassen. Darin wurde ihm neben seiner Identität notariell bestätigt, daß er ehelicher Geburt war und keiner Leibeigenschaft unterworfen war.

Die eheliche Geburt war deshalb wichtig, da die Zünfte keine unehelich Geborenen als Mitglieder aufnahmen.

Mit der Leibeigenschaft war es nur eine Formsache, denn das Gericht bestätigte stets, daß "diese schwere Bürde hierzulande nicht üblich" sei.

Die Erstellung des Geburtsbriefes lief so ab: Der Antragsteller oder ein Verwandter in seinem Auftrag erschien mit 2 Zeugen vor Gericht. Die Zeugen, deren Namen und Alter protokolliert wurde, sagten unabhängig von einander unter Eid aus, daß sie bei der Heirat der Eltern anwesend waren oder anderswie sichere Kunde davon hatten und daß der Antragsteller ein Kind dieser Eltern war.

Außer den Eltern werden dabei das Jahr der Heirat, der damalige Pfarrer, der Wirt mit dem Hochzeitsessen, der Taufpate des Kindes genannt.

Der Richter händigte ein Exemplar des Geburtsbriefes dem Antragsteller aus und schrieb das gleiche nochmal in sein Protokollbuch. Dadurch erfahren wir heute, wohin die Wanderung führte.

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(C) Josef Kiening, zum Anfang www.genealogie-kiening.de