Josef Kiening: Genealogie im Gebiet nordwestlich von München

Ehhaftsbrief des Baders in Baindlkirch Landkreis Fürstenfeldbruck aus dem Jahr 1712

Quelle: Briefprotokolle des Pfleggerichtes Friedberg von 1712 Amt Umbach Seite 155. Staatsarchiv München Signatur Rentmeisteramt München Unterbehörden 3946 (Rechtschreibung zur besseren Lesbarkeit etwas modernisiert). Erläuterungen am Ende des Textes.

Ehehaftsbrief

Zu wissen und kund sei meniglich, daß zwar Georg Hackl Bader zu Paindlkürchen einen alten Brief bei Gericht alhier vorgewiesen, wie es zwischen demselben und ainer ganzen Gemein aldort bei seinem inhabenden Bad in ein- und andern gehalten werden soll. Zumalen aber dieser Brief weder mit einem Sigel nit mehr versehen, noch zu ende das Jahr und Tag zu finden, woran alleinig schuldig, daß daselbst (der Brief) in den kurz vorhern Kriegseinfällen (1705) vergraben gewesen.

Also hat man Ihm Häckhl auf sein beschehen gehorsames erbitten mehrbemeldten alten Brief hiermit verwendet und in Beisein der abgeordneten Dorfsführer namens Stefan Stäffler Bauer und Ulrich Heibl Häusler von mehrgemeldeten Paindlkirchen alle Punkte, wie man es gegeneinander bisher gehalten hat nachfolgendermaßen vertragen wollen. Das näm- und

Erstlichen ein jeder Paur zu Paindlkirch einem Bader jährlich geben solle 2 Metzen wohlbereiten Roggen Augsburger Maß.

Andertens soll ihm jeder Paur jährlich zwei Holzfuhren nach Gelegenheit wo er dann um sein Geld ein Plemerth (?) kaufen oder bekommen kann unweigerlich tun und verrichten, da (wenn) aber das Holz weit von der Herberg entlegen, ist ihm jeder nur eine Fahrt zu verrichten schuldig.

Drittens ist Herr Pfarrer dem Bader jährlich so wie ein Bauer zwei Metzen Roggen Augsburger Maß zu geben schuldig. Mag ihm auch von Liebung wegen eine Holzfahrt tun, doch steht solches bei des Pfarrers guet willen.

Viertens sollen beede Wirt ihm Bader jährlich geben zwei Metzen Roggen, (von) der Holzfahrt aber sind sie befreit.

Fünftens hat der Bader auch jährlich von des Wolfen Magt wegen ein Metzen Roggen obbemeldtes Maß zu suchen. Man ist ihm auch von besagtem Gut eine Holzfahrt zu verrichten schuldig. Es kann aber dieser Magt bis auf den heutigen Tag nit mehr gefragt werden.

Sechstens gibt ein jeder Söldner zu Paindlkirch, er hab zu pauen oder nit, jährlich ein Metz Roggen und welcher keinen anbaut, soll acht Tag vor oder nach Lichtmess was er in der Schrannen den mittern Kauf giltig, der soll mit Geld oder Traidt bezahlen.

Siebentens ist ihm ein jeder zu geben schuldig die drei Hochzeiten Geld, also Ostern, Pfingsten und Weihnachten jeder noch zwei Pfennig.

Achtens die Ingeheuser (Inwohnerfamilien ohne Hausbesitz) zu Paindlkirch aber geben einem Bader samt Weib und Kind auch ein jeder ein Viertel Roggen oder so viel Geld, was jederzeit obenverstandener in der Schrannen giltig (kostet).

Neuntens eine einzelne Person, es sei Mann oder Weib, das kein Kind hat, gibt jährlich acht Kreuzer, wanns aber Kinder hat gibt es ein Viertel Roggen.

Zehntens mehr die angenommenen Kinder einer vier Kreuzer

Elftens gleichfalls ein Knecht zu Paindlkirch in den Jahren, welcher den Bart schert acht Kreuzer, ein Mittlknecht, der nicht Bart schert sechs, ein Mehnbub (Pferdebub) fünf, eine Magd oder Oberdirn sechs, eine Untermagd fünf, ein Kindsmädl vier Kreuzer. In dergleichen sollen des Pfarrers und beider Wirte Ehehalten auch so lohnen.

Zwölftens soll jeder Wirt dem Bader daselbst zu den gewöhnlichen 4 Festtag, als Neujahr, Ostern, Pfingsten und Weihnachten jedesmal einer ein Seidl Wein geben.

Dreizehntens welcher im Gemeindebad zu Paindlkirch kopfen ( mit einem Schröpfkopf zur Ader lassen), es sei jung oder alt, solle jeder dem Bader von jedem lassen Kopf an zu setzen geben einen halben (Kreuzer) in dessen soll niemand befreit sein.

Vierzehntens hat der Bader einen Rain (kleine Wiese) am Strigl genannt allzeit im dritten Jahr zu genießen.

Fünfzehntens an der Wachter Angerl ein Wiesmath bei einem Tagwerk groß doch einmähdig zu gebrauchen,

Sechzehntens gleichfalls solll ihm ein jeder Paur eine roggene Scher Garb geben.

Und diese sechzehn Punkt sind sämtliche dem alten Brief einverleibt. An jetzt aber tut man diesem neu anhängen, daß ein jeder außer der Bauern und der zwei Wirte schuldig sein solle, vor dem Bartscheren jedesmal einen Kreuzer zu bezahlen, weil solches anderweitig auch gebräuchig ist. Herentwegen und

Siebzehntens ist Bader schuldig, das Bad fleißig und sauber zu halten, auch solches nach Notdurft allen alle Samstage zu heizen, damit niemand verursacht werde zu klagen.

Achtzehntens soll der Bader zur Sommerszeit mit dem Bad um 1 Uhr fertig und bis auf die Nacht um 6 Uhr, aber im Schnitt (Ernte) bis um 8 Uhr wohl geheizt und warm zu halten.

Neunzehntens zu Winterszeit um 12 Uhr bis nachts um 4 Uhr auch ohne Klag und warm halten.

Zwanzigstens soll ein Bader jährlich halten ohne Entgelt der Nachbarschaft ---- darum ist ihm die Wiesen der Vetl genannt auf St. Johannestag einzuschlagen vergönnt worden.

Einundzwanzigstens wann ein Paur vor den anderen eher in das Bad kommt, so ist er den anderen, sowohl dem Wirt, so hernach kommen, nicht zu weichen schuldig. Dem Pfarrer aber, wie sich dann solches ohne das zutun gebührt und billig ist, soll man weichen.

Zweiundzwanzigstens mehr einem Bauern, Bäuerin, Huckhler und Hieblerin ( Häusler und Häuslerin) jedem ein Schaffl warm Wasser und (wenn) es notwendig ein Köpfl ( Aderlaß vorzunehmen, danach: ) zum Abwaschen noch ein Kübel voll mit gutem Willen folgen lassen.

Dreiundzwanzigstens gleichfalls einem Söldner und seinem Weib, auch einem Ingeheis (Inwohner ohne Hausbesitz) es sei Weib oder Mann ein Schäffl mit warmem Wasser, ingleichen einem Knecht, Buben oder Magd, welche zu Gottes Tisch gehen, er sei klein oder groß, jedem ein Kübel warm Wasser.

24. Falls sich begibt, daß in der Erntezeit die Arbeit so groß (ist), daß dem Bad nit wohl ausgewartet werden kann, soll er Bader eines Bades befreit sein.

25. da auch ein Nachbar ohne Ursach aus dem Bad gehet, so ist er nichts destoweniger ganzen Lohn zu geben schuldig. ( Sinngemäß: Wenn einer im Dorf das Bad überhaupt nicht benützen will, ist er trotzdem zu den Abgaben verpflichtet.)

26. soll Bader ebenmäßig bei Tag und bei Nacht auf Anforderung jedes Nachbarn zu Krankheiten, Schäden (Unfällen) oder wie es sich dann in einem und andern begeben möchte und was einem Bader mit gebihrlichen (üblichen) Arzneien vonnöten zu haben und sonsten zu tun gebührt um den gebihrlichen (üblichen) Handlohn allen Fleißes beispringen und abwarten, auch also hierdurch seine Schuldigkeit jederzeit erzeigt.

Worin nun eingangs genannter Häckl mit beiden Dorfführern vorigen Stefan Staffler und Ulrich Eibl den hereingesetzten Punkten gleich wie beschrieben als auch künftig noch ferners nachzukommen der kayserlichen Landgerichtsobrigkeit mit Mund und Hand angelobt.

Also ist ihm Häckl dieser neue Ehehaftsbrief gefertigt erteilt worden, den 10. September 1712 .

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Kommentar:

Die Existenzgrundlage des Baders waren pauschal zu leistende Getreideabgaben der Bauern. Wohlweislich wurden keine Geldbeträge vereinbart, sondern inflationssichere Sachleistungen.

Außerdem transportierten die Fuhrwerksbesitzer das Brennholz für die Heizung des Badehauses herbei. Wer die Bäume zu fällen und zu zerkleinern hatte, wird nicht gesagt. Das war wohl Arbeit des Baders während der Woche. Am Samstag hatte der Bader Hochbetrieb:

Im Badehaus hatte der Bader einen großen Wasserkessel, aus dem jeder Kunde ein Schaffel oder einen Kübel voll warmem Wasser bekam, um sich damit abzuwaschen. Von einem Wannenbad kann also keine Rede sein.

Ob die Badstube aus zwei Räumen, getrennt für Männer und Frauen, bestand, geht aus dieser Beschreibung nicht hervor. Dieses Thema war nicht erwähnenswert.  Ich verstehe die Beschreibung so, dass beide Geschlechter in der gleichen Badstube bedient wurden. Sonst wäre von der Baderin  als für die Frauen zuständig die Rede.

Die Kunden kamen in der Reihenfolge ihres Eintreffens dran. Nur der Pfarrer wurde vorrangig bedient. Wer sich nach dem Bad noch schröpfen ließ, (Aderlaß sollte gegen hohen Blutdruck helfen),  brauchte nicht blutüberströmt heimgehen, sondern bekam noch einen Kübel warmes Wasser zum Abwaschen.

Haareschneiden und Rasieren war ebenfalls pauschal mit Jahresbeträgen zu bezahlen und wurde nach Bedarf vor dem "Baden" erledigt, wobei Rasieren neuerdings jedesmal einen Kreuzer kostete.

Kinder benützten das Bad, so bald sie zur Kommunion gingen. Kleinere Kinder bzw. Säuglinge wurden zuhause oder garnicht "gebadet".

Der Bader war für die gesamte medizinische Versorgung einschließlich der "üblichen" Arzneien zuständig. Besondere Arznei bekam man nur  in Klosterapotheken. Für die Geburtshilfe war die Hebamme zuständig.  Dazu  wurde der Bader nur in Ausnahmefällen zugezogen.

Es ist kein Abschreibefehler, daß der Dorfführer am Anfang Ulrich Heibl und am Schluß Ulrich Eibl heißt. Das steht in bester Schönschrift so im Original. Selbstverständlich ist das die gleiche Person.

Weitere Erläuterungen zur Ehaft und Ehaftbrief eines Schmiedes.

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(C) Josef Kiening, zum Anfang www.genealogie-kiening.de